Schicksal

Substantiv [das]
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  • 1. eine höhere Macht, die das Leben beeinflusst.
     .
  • 2. ein Ereignis, das das Leben eines Menschen entscheidend beeinflusst, ohne, dass man daran etwas ändern kann.

(Quelle: Google!)

 

Jetzt, da er vor ihr stand und ihr in die Augen – in diese Augen –  schaute, war es noch schwerer als er es sich vorgestellt hatte. So nah bei ihr zu sein, ihren warmen Körper zu spüren, den süßen Duft ihrer Haare einzuatmen, sie lächeln zu sehen, das alles schien ihn davon abhalten zu wollen, zu tun, was er tun musste. Der Kuß, den sie ihm zur Begrüßung gegegen hatte, brannte auf seiner Wange als hätten ihre weichen Lippen Säure darauf verteilt. Er atmete tief ein – jedenfalls versuchte er das, aber es brachte nichts. Er bekam einfach keine Luft. Und doch musste er es tun. Jetzt! Bevor alles noch viel schlimmer wurde. Es noch weiter hinaus zu zögern, wäre grausam. Doch alles in ihm wehrte sich dagegen zur Tat zu schreiten. Sie erzählte ihm von irgendeiner lustigen Begebenheit, die sie heute erlebt hatte, doch er hörte nicht zu. Jedenfalls nicht auf den Inhalt ihrer Erzählung. „Gott, sie ist so glücklich!“ dachte er. „Genauso glücklich, wie ich selbst es war – bis gestern!“ Wieso nur hatte sie ihm von dieser einen Sache erzählen müssen? Dieser einen Sache, die niemals  hätte geschehen dürfen. Er wusste natürlich die Antwort darauf. Sie hatte es getan, weil sie ihm vertraute, weil sie ihn liebte. Und hatte er sich nicht genau das immer gewünscht? Diejenige zu finden, mit der er die Dinge teilen konnte, die tief verborgen auf seiner und auch auf ihrer Seele lasteten. Noch gestern Nacht war er sich so sicher gewesen, dass er endlich die Richtige gefunden hatte. Auch jetzt noch war er sich sicher, dass sie es war. Sie war die, mit der er den Rest seines Leben hatte verbringen wollen. Nur hatte sich gestern aus heiterem Himmel ein böser Geist zwischen sie gedrängt. Sie hatten im Bett gelegen, ihr Kopf auf seiner Brust. Ihre Locken hatten seine Nase gekitzelt, doch wie immer hatte er darauf verzichtet, sie weg zu streichen. In diesem Moment war auch er bereit gewesen, sich ihr komplett zu offenbaren, ihr alles zu erzählen, was er seit langem tief in sich selbst verschlossen gehalten hatte. Doch sie war ihm zuvor gekommen, hatte in diesem Moment anscheinend genau das selbe empfunden, wie er. Wie glücklich war er darüber gewesen, hatte es als Liebesbeweis gesehen, dass sie ihm ihr Herz ausgeschüttet hatte. Doch als er schließlich begriffen hatte, was sie ihm da wirklich gerade offenbarte, hatte er sich gewünscht, dass sie ihn weniger gebliebt hätte. Genau so viel weniger, dass sie ihm nicht von dieser Sache erzählt hätte! Damit hätte er leben können und auch für sie wäre das besser gewesen. Aber solche Gedanken waren jetzt vollkommen sinnlos. Viel später, nachdem er geflüchtet war und sich komplett abgeschossen hatte, da hatte er es begriffen. Das Schicksal hatte ihm diesen üblen Streich gespielt, um ihn zu bestrafen. Und es hatte genau in dem Moment zugeschlagen, als die Strafe nicht mehr schlimmer hätte sein können. Nämlich exakt in dem Augenblick in dem er geglaubt hatte, dem bösen Geist seiner Vergangenheit entkommen zu sein und endlich sein Glück gefunden zu haben. Wie dumm war er nur gewesen, zu glauben, er hätte genug gelitten in seinem Leben, wäre genug bestraft worden. Nein! In dem Moment, wo er angefangen hatte vom Fliegen zu träumen, hatte ihm Gott einen Knüppel in die Beine geschlagen. Von nun an würde er allerhöchstens noch vorankriechen in seinem Leben. Die Wahrscheinlichkeit, dass das, was geschehen war, sich nur durch Zufall ereignet hatte, war gleich Null. Nur ein zorniger Gott oder das Schicksal oder wie man es oder ihn oder sie verdammt noch mal nennen wollte, konnte das eingefädelt haben.

Natürlich bekam sie mit, dass etwas nicht stimmte. Gestern schon hatte er sich mehr schlecht als recht herausreden können, aber heute würde das nicht mehr ausreichen. „Was ist nur mit dir?“ fragte sie besorgt. Eine Stimme in seinem Hinterkopf bettelte ihn an: „Tu es nicht, du Idiot! Warum musst du dich unglücklich machen?“ Und doch wusste er, dass er es jetzt tun musste, auch, wenn er sich selbst dafür für alle Ewigkeit hassen würde. Ein anderer gehässiger Teil in seinem Schädel kicherte: „Na, das wäre ja etwas ganz Neues!“ Er musste es jetzt tun. Er packte sie bei den Schultern und schob sie von sich weg. Sie jaulte vor Schmerzen und vor Schreck auf. Ihr weh zu tun, fühlte sich schlimmer für ihn an, als sich selbst einen Arm heraus zu reißen und doch machte er weiter. Er konnte jetzt nicht auf ihre Gefühle Rücksicht nehmen, wenn er sie wirklich beschützen wollte. Also erzählte er ihr, was er ihr erzählen musste. Den wahren Grund jedoch, warum er sie beide ins Unglück stürzte, würde er mit ins Grab nehmen.

Wenn ihr euch jetzt diesen Song anhört, dann versteht ihr, was er ihr erzählte:

Hier der ganze Songtext auf einen Blick!

Fortsetzung folgt bald.

 

 

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